Sandos Geschichte

Früher wäre ich nie freiwillig in eine Perrera, also eine sogenannte Auffangstation gegangen, weil mir klar war: Wenn man einmal diesen Schritt getan hat, kann man in Zukunft nicht mehr wegsehen! Trotzdem wollte ich helfen, denn ich wusste von den Zuständen in den Perreras von Fuerteventura und dem Leid der Hunde, die dort oftmals auch auf ihr Ende warten.

Ich versuchte also erst einmal, aus der Ferne zu helfen. Machte Flyer für bestehende Tierschutzvereine, erstellte Informationsmaterial mit Fotos und half dieses zu verbreiten. Doch dies bewirkte nicht wirklich viel. An dieser Stelle hätte ich resignieren können. Doch dann geschah etwas, dass mich zwang, mich der Rettung der Hunde zu verschreiben …

Sandos Einzug in die Perrera veränderte mein Leben.

Ich kannte Sando bereits von Bekannten auf der Insel. Der große gestromte 50 Kilo Hund fiel mir in der Wohnung gleich auf. Er war ein freundlicher und neugieriger Typ, der noch recht jung wirkte. Aber irgendwie hatte ich schon zu Beginn das Gefühl, Sando sei im Weg. Zudem saß er immer nur im Wohnzimmer, oft starrte er sehnsüchtig aus dem Fenster.

Natürlich war ich davon ausgegangen, dass er jeden Tag genug Auslauf und ein glückliches Leben hatte. Dass dem nicht so war, wurde mir erst bewusst, als ich etwas mehr Einblick in die Lebenssituation der Besitzer bekam: Sando hatte die ersten zwei Jahre seines Lebens fast ausschließlich in der Wohnung verbracht… Als die Besitzer die Wohnung aus persönlichen Gründen verlassen mussten, änderte sich alles für den Hund. Man berichtete mir, dass Sando nun in einer Garage leben musste und weg sollte. Ich bot dem Besitzer an, auch für Sando einen Flyer zu erstellen und zu helfen, ein neues Zuhause für ihn zu finden. Doch so weit kam ich gar nicht. Nur wenige Tage später hatten die überforderten Besitzer Sando bereits in die Perrera gebracht.

Ich konnte es nicht glauben. Ich war unendlich traurig und zugleich sehr wütend. Was sollte ich tun? Mir fehlte jegliche Hundeerfahrung, ein Bardino-Mix ist nicht unbedingt ein Anfängerhund, mit einem Gewicht von mehr als 50 Kilo erst recht nicht. Zudem hatte ich einen 14-jährigen Kater, der bisher keinem Hund auch nur ansatzweise näher gekommen war. Ich gehe nicht mal gerne spazieren – und dann diese ganze Verantwortung.

Alles sprach dagegen, aber ich musste mich entscheiden:

Zusehen oder handeln! Ich habe mich fürs Handeln entschieden und ich wusste, ich hatte nicht viel Zeit, um Sando zu helfen.

So fuhr ich zum ersten Mal in meinem Leben in eine Perrera. Dort durchschreitet man einen langen Gang mit Boxen rechts und links voller aufgeregter, bellender Hunde, die geradezu schreien: Hol mich hier raus! Meist drei, vier oder fünf zusammen in einem kleinen Zwinger eingesperrt.

Schließlich fand ich Sando. Der große Hund saß ganz hinten rechts am Ende des Ganges in einem Zwinger. Allein. Er war der einzige Hund, der nicht bellte. Traurig sah er aus. Ohne lange zu überlegen holte ich Sando sofort raus – oder, wenn wir ehrlich sind: Er schleifte mich hinaus – raus aus der Perrera.

Als mich die 50 Kilogramm ins Freie gezogen hatten, dachte ich nur: ‚Oh mein Gott! – was habe ich getan?‘.

Heute weiß ich, das dies völlig normal ist, alle Hunde ziehen, wenn sie durch diesen Gang raus in die Freiheit dürfen – endlich die irrsinnig laute Perrera verlassen! Der Krach, der Geruch und vor allem die Angst in der Luft treibt sie an, möglichst schnell nach draußen zu drängen.

In Freiheit holte Sando in nur wenigen Wochen mit viel Geduld ganz viel Liebe einiges nach. Der traumatisierte Hund lernte an der Leine zu laufen, auf mich zu hören und zu begreifen, dass er geliebt wird und seinen Platz bei mir hat. Nach Wochen wedelte er das erste Mal mit dem Schwanz – erste Schritte in ein ganz normales Leben.

Heute kann ich mir meine Welt ohne diese Seele von Hund nicht mehr vorstellen und auch mein Kater Jack liebt seinen neuen großen Bruder. Nur, dass er so auf Katzenfutter steht… daran soll ich doch bitte noch mit ihm arbeiten, meint Jack. 

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